Am späten Nachmittag an Silvester kamen evangelische und katholische Christen in der Stadtpfarrkirche St. Marien zusammen, um gemeinsam das alte Jahr in Gottes Hände zurückzulegen und sich gegenseitig einen guten Start in das neue Jahr zu wünschen. Die Kirchenglocken läuteten und zahlreiche Gläubige feierten die Stunde, die musikalisch vom Posaunenchor der Evangelischen Kirche mit Leiter Karl Wonner und den Kirchenchören Simbach und Kirchberg unter Leitung von Regionalkantor Christian Debald festlich gestaltet wurde, mit. „Alles was wir erlebt haben, Gutes und weniger Gutes, Erwartetes und Unerwartetes, Schönes und Schweres legen wir zurück und gehen mit Gott voller Mut und Hoffnung in das neue Jahr“, so Stadtpfarrer Joachim Steinfeld in seiner Begrüßung. Pfarrer Jan Lange aus der österreichischen Nachbarstadt Braunau trug die Lesung aus dem ersten Brief Paulus an die Korinther vor und darauf ging Pfarrer Christian Muschler in seiner Predigt ein. „Die Liebe hört niemals auf! So haben wir es in der Lesung gehört. Dass aber Liebe an Grenzen stößt und an ihrer Stelle sich Gleichgültigkeit oder gar Hass breit machen, das wissen wir ebenso zur Genüge. Und doch sagt Paulus, dass sie Liebe niemals aufhört und meint damit Gott selber“, so Muschler, der den Christen die Jahreslosung nannte: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ Dieser Vers führe in die Mitte des Glaubens, gebe Antwort auf das Christsein. Pfarrer Muschler verdeutlichte anhand einer Geschichte, was es mit der Liebe auf sich hat, mit der Jesus Christus berühren und erfüllen will. Er erzählte von einer Katholikin namens „Zenzi“, die 1942 auf dem elterlichen Bauernhof in einem fränkischen Dorf ein kleines Mädchen, Charlotte, aus einer jüdischen Familie aufnahm, das deportiert werden sollte. Zenzi gab das Kind als ihr eigenes aus, riskierte damit ihr Leben. Nur der Pfarrer wusste davon. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges versteckte er die Kleine vor der „SS“ in einem Keller. Dort war sie nicht alleine, denn der Pfarrer hatte auch polnische Zwangsarbeiter in Sicherheit gebracht. „Charlotte konnte gerettet werden, heute heißt sie mit Nachnamen Knobloch und wurde Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Am Beispiel von „Zenzi“ und dem Pfarrer sehen wir, wozu die Liebe befähigt, die unserem Glauben mitgegeben ist“, so Muschler, der zum Schluss seiner Predigt an Martin Luther King erinnerte, der, als 1957 in den USA ein großer Streit um die Rassentrennung tobte, zur Gewaltlosigkeit aufrief und mahnte, die Macht der Liebe als heilende Kraft zu entdecken, um aus der alten Welt eine neue machen zu können. „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“, die Strophen des Liedes, dessen Text der Theologe Dietrich Bonhoeffer 1945 im Konzentrationslager kurz vor seiner Ermordung geschrieben hat, wurden bewegend gemeinsam gesungen, abwechselnd begleitet von Posaunenchor, Orgel und Chören. Rolf Bartsch und Ingrid Hartinger von der evangelischen Gemeinde und Thomas Geigenberger von der Pfarrei St. Marien trugen Gedanken und Fürbitten vor. „Ukraine, Inflation, Teuerung von Öl und Gas, Hamas, Gazastreifen, Antisemitismus, Firmenpleiten, Sorgen und immer noch Corona. So war es im alten Jahr, wie lange ist’s noch aktuell? Doch wo eine Träne fällt, blüht auch eine Rose…so war es im alten Jahr, was sollen wir für‘ nächste bitten? Die Sonne geht auf, ohne unser Tun, Winde toben, wir können sie nicht hindern. So war es im alten Jahr, was wird die Zukunft bringen?“, überlegten die Vortragenden, wünschten Hoffnung für die neuen Tage. Gemeinsam wurde „Vater unser“ gebetet. Die Geistlichen spendeten den Segen, nach der Andacht auch den Einzelsegen. Bürgermeister Klaus Schmid blickte kurz zurück auf das scheidende Jahr 2023 mit all den Krisen. Er bedankte sich bei den Mitbürgerinnen und Mitbürgern für Solidarität und Gemeinschaft und äußerte seinen Wunsch für 2024: „Nicht ein Auseinander und Gegeneinander sollen bestimmend sein, sondern ein Miteinander und ein Füreinander. „I wünsch eng Kraft, Hoffnung, Gsundheit, kurz: A guads neis Johr!“, sagte er.
Festlich erklangen noch einmal die Musikinstrumente und die Sängerinnen und Sänger erfreuten mit dem wohlbekannten Lied „Es ist ein Ros‘ entsprungen“. Anschließend fand im Garten des Pfarrhauses bei Stadtpfarrer Joachim Steinfeld ein Sektempfang statt, die Kosten für das prickelnde Getränk teilten sich der Stadtpfarrer und Bürgermeister Klaus Schmid. Nur noch wenige Stunden waren es bis Mitternacht, man wünschte sich persönlich alles Gute und einen guten „Rutsch“ hinein ins neue Jahr 2024.
Artikel: Christina Schmid